
Die Saison 2021/22 ist nach einigen schwierigen Wochen äußerst versöhnlich zu Ende gegangen für die White Wings. Nach dem sensationellen Endspurt, gekrönt mit einem spektakulären last-minute-Sieg gegen Gießen konnte das Team am Ende doch noch die Playdowns abwenden und so erhobenen Hauptes in die Sommerpause gehen. Geschäftsführer Sebastian Lübeck und Team Manager Sebastian Köhnert erzählen, wie sie die vergangene Spielzeit wahrgenommen haben – und wie sie die neue Saison vorbereiten.
Ihr seid jetzt seit 2019 bei den White Wings dabei. Ist die Arbeit für euch inzwischen daily business?
SK: Einiges ist mittlerweile zur Routine geworden, gerade was die Organisation angeht. Aber jede Saison bringt neue Überraschungen. Das macht es so interessant in diesem Job zu arbeiten – wir sagen oft: „es wird nie langweilig hier“!
SL: Ich denke auch, dass es in gewisser Weise einen großen Anteil an „daily business“ gibt, den wir routiniert abarbeiten, um uns auf die unvorhergesehenen Dinge konzentrieren zu können.
Es ist bereits die dritte Saison in der ProB seit dem Abstieg in der Saison 2018/19. Was sind entscheidende Dinge, die sich aus eurer Sicht seit diesem Punkt verändert haben?
SK: Ich glaube, wir haben einen guten Job gemacht, um „Altlasten“ abzuarbeiten, die aus dem Abenteuer ProA geblieben sind. Darüber hinaus denke ich, dass wir die White Wings insgesamt nahbarer gemacht haben. Sei es durch die Einbindung vieler junger Spieler, teilweise auch aus der Region, oder durch die wiederaufgenommene und aufgeblühte Zusammenarbeit mit der TG Hanau. Außerdem waren wir darauf bedacht, ein stärkeres Fundament zu schaffen, indem wir die Partnersuche intensiviert und vervielfältigt haben.
SL: Wir sind glücklicherweise an einem Punkt angekommen, ab dem es sich wieder lohnt, mit Blick in die Zukunft an die Arbeit zu gehen. Alles hinter uns Liegende ist mittlerweile erledigt, bereinigt und abgearbeitet.
Die vergangene Spielzeit 2021/22 wirkte im Vergleich zur Vorsaison noch turbulenter. Starke Ups and Downs, einige Spiele mit wirklich fragwürdiger sportlicher Leistung, ein Trainerwechsel, and the list goes on. Wie blickt ihr mit ein paar Wochen Abstand zurück auf diese Saison?
SK: Es war in der Tat eine nervenaufreibende Saison. Ich denke, mit den uns zu Verfügung stehenden Mitteln können wir im Endeffekt zufrieden sein, wie die Spielzeit zu Ende gegangen ist. Trotz allem, und wir sind guten Mutes, hoffen wir auf eine „ruhigere“ kommende Spielzeit 😊
SL: Nachdem wir im März schon erste Schritte in der Planung der Playdowns begonnen hatten, war das Saisonfinale für alle vor Ort ein unvergessliches Erlebnis, welches noch lange nachwirken wird. Das Ziel war die Teilnahme an den Playoffs, wenn auch nicht so knapp, wie es letztlich gekommen ist. Das machte den sehr späten Zeitpunkt des Playoffeinzugs positiv vergessen. Selbst wenn ich heute das Video des letzten Wurfs von Niki Krause gegen Gießen sehe, bekomme ich noch Gänsehaut und ein Grinsen im Gesicht. Das geht glaube ich allen so, die dabei waren.
Anfang März habt ihr euch von Kamil Piechucki als Headcoach getrennt. So eine Entscheidung trifft man aber natürlich nicht von heute auf morgen. Könnt ihr euch an einen genauen Moment erinnern, an dem bei euch erstmalig die Alarmglocken angingen?
SK: Bei mir war es das Spiel kurz vor Weihnachten in Oberhaching, als wir mit einer herben Niederlage leben mussten. Klar kann man so ein Spiel mal verlieren, aber die Art und Weise stimmte mich nachdenklich. Außerdem habe ich hier und da auch eine gewisse Entwicklung vermisst, sowohl was die individuelle Klasse der Spieler, als auch die Kommunikation abseits des Feldes angeht. Rückblickend war es der richtige Schachzug. Wir sind uns aber auch dessen bewusst, dass man bei solchen weitreichenden Entscheidungen ein Wenig das Glück auf seiner Seite braucht.
SL: Einen genauen Zeitpunkt gab es für mich gar nicht so wirklich, da sich die Leistungen und Ergebnisse in schöner Regelmäßigkeit abwechselten. Erste interne Gespräche bezüglich der Situation hatten wir nach dem Spiel in Frankfurt. Ausschlaggebender Punkt war dann tatsächlich das Spiel in Erfurt. Da wussten wir, wir müssen handeln, um die Saison noch zu retten. Natürlich könnte man jetzt auch sagen, hätten wir uns früher – etwa im Januar oder Februar – dazu entschieden, hätten wir vielleicht noch mehr Spiele gewinnen können. Aber das finde ich den falschen Ansatz in der Diskussion.
In Erinnerung bleiben wird aus dieser Saison vor allem der absolut starke Endspurt. Mit Marti Zamora als neuer Headcoach gewann das Team die letzten drei Spiele und zog so unerwartet doch noch in die Playoffs ein. Was war aus eurer Sicht der entscheidende Faktor für diese drei Spiele?
SK: Ich fand, dass Coach Marti von Anfang an ein Zusammengehörigkeitsgefühl geschaffen hat in und um die Mannschaft herum, wie ich es hier in Hanau noch nicht erleben durfte. Ihm war wichtig, dass alle an einem Strang ziehen. Das hat sich auf dem Feld bemerkbar gemacht. Außerdem hat er das ein oder andere taktisch umgestellt, z.B. die Art und Weise wie wir Pick and Rolls verteidigen. Zusätzlich hat er es noch geschafft, einzelnen Spielern ihr verloren geglaubtes Selbstvertrauen zurückzugeben. Insgesamt war ich tief beeindruckt von seiner Art und Weise zu coachen, aber auch neben dem Feld zu kommunizieren und koordinieren.
SL: Bei der gemeinsamen Ansprache ans Team mit Marti hat man gleich den positiven Ruck gespürt, der durch das Team ging. Da hatten wir direkt ein gutes Gefühl. Und in der Tat sind alle im Verein noch einmal zusammengerückt. Seien es die Helfer um das Team herum, die Spieler selbst, wir im Management, oder auch bei den Fans in der Halle. Man hat gespürt, dass ein „Push“ durch Basketball-Hanau strömte. Auch die direkte Bereitschaft von unserem dann neuen Co-Trainer Nikola Milanovic, den wir dankenswerterweise von der TGH ausleihen durften, sich in den Dienst der Mannschaft zu stellen oder unser Athletik Trainer, der sich sofort bereit erklärt hat, das Team auch auf Auswärtsfahrten zu unterstützen, hat mich sehr beeindruckt. Diese Reaktionen erleben zu dürfen, macht uns stolz und bestätigt uns unsere tägliche Arbeit für den Basketball-Standort Hanau.
Den Einzug in die Playoffs haben die White Wings mit einem Buzzer-Beater-Finish von Niklas Krause geholt. Hand aufs Herz – wie oft habt ihr euch die Wiederholung von diesem Wurf angeschaut?
SK: Oft. Sehr Oft! Das war, seitdem ich wieder bei den White Wings bin nach meiner aktiven Zeit, das schönste Erlebnis. Ein verloren geglaubtes Spiel umzudrehen und dann so zu entscheiden – es war ein wenig wie im Traum. Die Emotionen in diesem Moment, das Glücksgefühl nicht in die verhassten Playdowns gehen zu müssen, der ganze Stress der vergangenen Wochen – alles entlud sich in diesem Moment. Das werde ich Zeit meines Lebens nicht vergessen!
SL: Ich sage immer, wenn man einen kitschigen Film über Basketball mit Happy End drehen will, darf man dafür gerne unsere Saison als Drehbuch benutzen.
Was sind für euch die wichtigsten Lehren und Erkenntnisse, die ihr aus dieser Spielzeit mit in die neue Saison nehmt?
SK: Wie so oft im Profisport kommt es darauf an, finanziell gut aufgestellt zu sein, daran arbeiten wir sozusagen Tag und Nacht. Die vergangene Saison hat uns gezeigt, dass wenn man mit einem so jungen Kader in die Runde geht, man sich nicht viel erlauben darf, was Ausfälle oder Leistungsschwankungen angeht. Daher ist es auch das große Ziel, mehr Homogenität zu schaffen was das Team angeht und ein wenig mehr Erfahrung in den Kader zu bringen. Für mich persönlich hat die Saison deutlich gemacht, dass ich noch näher am Team sein muss, damit ich dementsprechend auch schneller handeln kann, wenn etwas „schief“ läuft.
SL: Man kann im Profisport vieles planen, vorbereiten und skizzieren. Letzten Endes sollte man sich aber mehr auf sein Bauchgefühl verlassen. Das ist eine Erkenntnis, die mir diese Saison klar geworden ist.
Für die neue Saison habt ihr euch einiges vorgenommen. Gemeinsam mit euren Partnern habt ihr euch auf die Mission 23 eingeschworen. Das heißt: Am Ende der neuen Spielzeit wollt ihr als Aufsteiger zurück in die ProA gehen. Wie bereitet ihr diese Saison vor, worauf legt ihr ein besonderes Augenmerk?
SK: Für mich bedeutet die Mission 23 eher, dass wir ein gesundes Fundament aufbauen, mit dem wir den Aufstieg angehen könnten, ohne finanzielle Abenteuer einzugehen. Den sportlichen Aufstieg dann auch wirklich realisieren können steht nochmal auf einem ganz anderen Blatt geschrieben, das weiß ich nur zu gut aus meiner Zeit als Spieler. Daher ändert sich für mich erstmal nicht viel. Wir arbeiten zusammen an einem guten Kader, wollen uns was, die Infrastruktur und die Jugendarbeit angeht, weiter verbessern und wollen den Standort Hanau weiter attraktiv machen, sowohl für Spieler als auch Partner. Wenn uns das weiter so gelingt wie bisher, wird sich der sportliche Erfolg früher oder später einstellen, da bin ich mir sicher!
SL: Das ist der Plan und das Ziel, an dem wir täglich hart arbeiten. Ob es am Ende dann so kommt, hoffen wir natürlich, garantieren lässt es sich jedoch nie. Die Mission23 haben wir aber definitiv nicht aus Spaß ausgerufen, sondern haben die Rückkehr in die ProA fest im Blick. Wir führen bereits Gespräche mit neuen und altern Partnern, neuen und alten Spielern und sind optimistisch, dass wir in der kommenden Saison den nächsten Schritt machen werden! Wie weit dieser Schritt geht, werden wir dann nächstes Jahr um diese Zeit sehen.
Mit Marti Zamora als Headcoach und Philip Hecker als Mannschaftskapitän habt ihr bereits zwei wichtige Personalentscheidungen getroffen. Könnt ihr uns darüber hinaus schon einen Einblick geben, worauf ihr beim Scouting für die neue Saison Wert legt?
SK: Klar ist, dass wir auch weiterhin darauf bedacht sind, junge Talente einzubauen und auf deren Leistung zählen werden. Wir sind (noch) nicht an einem Punkt, wie es vielleicht unser Gegner in der ersten Playoffrunde, Münster, schon ist – nämlich aus dem Vollen schöpfen zu können was den Spieleretat angeht. Daher ist es unsere Aufgabe, mit Coach Marti zusammen den ein oder anderen Spieler zu finden, der bisher „durchs Raster gefallen ist“ und der sich dann bei uns zum Leistungsträger mausern kann.
SL: Wir hoffen, den ein oder anderen aus dem letzten Jahr noch halten zu können. Auch stehen bereits einige vielversprechende junge Spieler bereit, den Schritt nach Hanau zu gehen. Wichtig ist uns aber, dass wir die Center-Position noch intensiver scouten müssen, damit wir da einen Leistungsträger an uns binden können. Da hatten wir uns letzte Saison entgegen der tatsächlichen Leistung ein wenig mehr erhofft. Deswegen werden wir auch anders als in den letzten beiden Jahren die Kaderplanung nicht mehr ausschließlich dem Head Coach überlassen, sondern gemeinsam ein schlagkräftiges Team aufstellen.